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Direktkandidaten des Bundestages


Prof. Dr. med. Rolf Zander
Mail: cr-zander@widersprueche.eu
Web: www.widersprueche.eu

Mitglied des Deutschen Bundestages
Herrn Carsten Schneider
Deutscher Bundestag
Platz der Republik 1
11011 Berlin

per E-Mail: Berlin – Erfurt – Weimar

16. Juni 2022

Direktkandidaten des Bundestages

Sehr geehrter Herr Schneider,

nachdem Sie auf das Schreiben vom Februar 2022 zusammen mit den anderen 17 MdBs nicht reagiert haben (Ausnahme AfD), die Sie alle von über 80 % der Wahlberechtigten in ihren Wahlkreisen nicht gewählt wurden (s. Anhang), möchten wir Sie in einem Offenen Brief zur aktuellen Situation der Direktkandidaten um 5 Statements bitten:

  1. In Ihrem Wahlkreis (193, Erfurt Weimar etc.) sind Sie von nur 18,7 % Ihrer Wahlberechtigten gewählt worden. Trauen Sie sich zu, Ihre Aufgaben als MdB plus Staatsminister der Bundesregierung für Ostdeutschland wahrzunehmen, wenn Ihnen doch 81,3 % der Wahlberechtigten ihre Zustimmung verweigert haben?
    Als Direktkandidat haben Sie bei den Wahlberechtigten 2002 noch 31,6 % Zustimmung erhalten, 2005 waren es nur 23,9 % und jetzt 2021 nur noch 18,7 %.
    Ist eine Tätigkeit als MdB plus Minister mit geringer Zustimmung der Wahlberechtigten möglich?
     
  2. Aktuell sind beim Wahlprüfungsausschuss (WPA) des Bundestages 2.117 Einsprüche anhängig, deren Bearbeitung sicher noch „einige Zeit“ in Anspruch nehmen wird.
    Erste realistische Prognose: Zur Bundestagswahl 2017 lagen lediglich 275 Einsprüche vor, deren Bearbeitung bis zum 23. April 2019 gedauert hat, also ca. 19 Monate Bearbeitungszeit seit der Wahl. Alle Einsprüche zur Wahl von 2021 werden dann 146 Monate beanspruchen, also 12 Jahre bis zur Bundestagswahl 2033?
    Zweite realistische Prognose: Mit dem ersten Beschluss ist der Bundestag am 7. April 2022 der Beschluss-empfehlung des WPA gefolgt und hat damit mehr als 10 % der Wahleinsprüche abgearbeitet. Das wären ca. 220 Einsprüche in 2 Monaten seit der Konstituierung des WPA Ende Januar 2022 (4 Monate nach der Wahl). Alle restlichen Einsprüche (90 %) sollten dann nach April 2022 innerhalb von ca. 17 Monaten bis September 2023 bearbeitet sein.
    Ist die Bearbeitungszeit des Bundestags für Wahleinsprüche von 17 - 146 Monaten okay?
     
  3. In Sachen Wahlprüfung besteht eine Gesetzeslücke insofern, als eine Verfassungsbeschwerde beim BVG in Karlsruhe erst dann zulässig ist, wenn der Bundestag die Wahlprüfung abgeschlossen hat. Ein Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfügung beim BVG muss abgelehnt werden, weil das BVG „nicht befugt ist, in die Verfahren anderer Verfassungsorgane (wie etwa des Deutschen Bundestages) einzugreifen und diesen im Rahmen einer einstweiligen Anordnung …Weisungen zu erteilen.“
    Ist Ihnen bekannt, dass der Bundestag die Wahlprüfung verzögern kann?
     
  4. Schon seit mehreren Legislaturperioden war der Gesetzgeber, also der Deutsche Bundestag, nicht bereit, das Mehrheitswahlrecht mit einem Zusatz – Stichwahl – zu ändern. Die Folgen für den Bundestag und die Landesparlamente sind offensichtlich und – damit aus Sicht des Unterzeichners – verfassungswidrig.
    Dabei wäre es so einfach: Die 299 Direktkandidaten brauchen in ein bis zwei Wahlgängen nicht die relative, sondern die absolute Mehrheit (Stichwahl) in ihrem Wahlkreis, dadurch wird der Bundestag – zusätzlich – auf Normalgröße gestutzt.
    Zum Vergleich: Der Bundespräsident wird mit absoluter Mehrheit gewählt, ebenso die Ministerpräsidenten in Sachsen, Thüringen, Hessen und Rheinland-Pfalz, bei Kommunalwahlen usw.
    Fänden Sie eine Wahl der Direktkandidaten mit absoluter Mehrheit (Stichwahl) gut?
     
  5. Seit inzwischen drei Jahrzehnten sinkt die Wahlbeteiligung. Nirgends wird heute das Niveau erreicht, das früher üblich war. Bei der Bundestagswahl 1972 gaben 91,1 % der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Bei der Bundestagswahl 2009 wählten weniger Menschen als jemals zuvor.
    Parteienfinanzierung: Die Parteien finanzieren sich zu einem erheblichen Teil aus staatlichen Steuermitteln. Für das Jahr 2019 waren 21 Parteien anspruchsberechtigt. Um mehr Menschen wieder zur Wahl zu animieren, könnte man bei den Parteien ansetzen.
    Sollte die Parteienfinanzierung nicht an die prozentualen Wählerstimmen sondern an die absoluten Wählerstimmen gemäß Wahlbeteiligung gekoppelt werden?

Sehr geehrter Herr Schneider, wir würden uns freuen, wenn wir Ihre Statements an gleicher Stelle veröffentlichen dürften.

Mit Dank im Voraus für Ihre Geduld und Mühe

R. Zander (80, parteilos)

|   Deutschland
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